Früher fand ich Michael Jackson nicht
gut. Ging nicht. Den mochte jeder und ich konnte nicht einfach mögen,
was jeder mochte. Öffentlich Michael Jackson gering zu schätzen brachte
dagegen immer großen Distinktionsgewinn. Ich machte reichlich von dieser
Möglichkeit Gebrauch. Hatte es wohl nötig.
Michael Jackson war
das sicher egal. Den Leuten, die ihn mochten, allerdings nicht. Vor
allem, wenn sie so vermessen waren, gleichzeitig auch mich ein bisschen
zu mögen. Ich habe sie zwar nicht unbedingt vor die Wahl „Michael
Jackson oder ich“ gestellt, aber meine Jackson-Schimpfkanonaden waren
gewaltig. So gewaltig, dass man sie selbst als Großfan lieber stumm
ertrug, als mir contra zu geben. Ich war der Schrecken aller
Mädchenzimmer mit Bravo-Postern an den Dachschrägen. Viele
Gastgeberinnen, die mich mich offenherzig auf ihre mit bunten Tüchern
behängten Sofas eingeladen haben, habe ich sehr traurig gemacht. Meine
schlimmste Untat war aber, dass ich auf einer Klassenfahrt die
Michael-Jackson-Kassette, die dem Busfahrer zur Busbeschallung gereicht
worden war, mopste und mit Hilfe eines ähnlich gesinnten Freundes
stellenweise löschte und mit Jackson-Spott besprach.
Heute höre ich Michael Jackson. Nicht zufällig im Radio. Ich setze mich
auf die Couch, wähle genau die Songs aus, die früher alle gut fanden,
schließe die Augen und höre zu. Ich muss nachholen. Viel. Ich versuche
mitzusingen. Oft genug kommen mir Tränen, weil er mich berührt und
glücklich macht. Und zwischendrin denke ich an die erschreckend vielen
Momente in meinem Leben in denen ich ein unfassbar großer Depp war. Und
ich nehme mir vor, dass es künftig weniger werden. Quasi "Man in the
Mirror", aber wem sage ich das.